Alles ganz schön heiß. Die Sonne brennt mit gefühlten achtzig Grad auf den Sand; nur gelegentlich regt sich ein Lüftchen, das sich hierher verirrt haben muss. Weiter südlich, im Sahel, dörren die Felder aus, schlagen sich die Leute für einen Tropfen Wasser schon mal gegenseitig die Schädel ein: Fürs Überleben über Leichen gehen ist beinahe salonfähig in jenen Breiten.
Und jetzt kommen schon wieder die Europäer. Wollen zwischen trockenen Wadis und spärlich gesäten Oasen das weltgrößte Solarfeld in der nordafrikanischen Wüste errichten. Viel Geld ist im Spiel, viel Prestige ebenfalls. Von "solarem Neokolonialismus" ist bereits die Rede. "Die haben da so viel Sonne", sagt einer, der es wissen muss, aber ungenannt bleiben will, "dass wir im Grunde nur genügend Kollektoren aufbauen müssen, um bis zu 15 Prozent des europäischen Strombedarfs zu decken."
So weit, so kühn, so optimistisch. Dieser Optimismus hat hierzulande eine Schar von Machern geradezu beflügelt, das gigantische Projekt Desertec voranzutreiben. Am vergangenen Freitag trafen sie sich in München und gründeten die Entwicklungsfirma DII, die ein Jahresbudget von zwei Millionen Euro hat. Verglichen mit dem Desertec-Investitionsvolumen von geschätzten 400 Milliarden Euro hört sich das nach einer lächerlichen Summe Spielgeld an. Doch mehr konnten die Solar-Protagonisten bislang nicht einsammeln - obgleich eine Reihe von Großkonzernen das Projekt befürworten, darunter die Deutsche Bank, Eon, RWE und der Maschinenbauer ABB.
"Natürlich sind die Konzerne vorsichtig", sagt der öffentlichkeitsscheue Insider. "Sie wollen ihr Geld nicht von der Sonne verbrennen lassen." Und das Risiko sei nicht eben gering. So wisse bislang niemand, wie die mit dem Projekt verbundenen politischen Fragen zu beantworten seien: Wie können die nordafrikanischen Staaten sicherstellen, dass ihre Interessen gewahrt werden und nicht nur die Europäer von Desertec profitieren? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um das gigantische Solarfeld vor Terrorattacken zu schützen? Auch der Transport des in der Sahara erzeugten Stroms über Hunderte oder Tausende Kilometer hinweg in die Verbrauchszentren stellt das Solar-Konsortium vor Probleme, denn auf dem Transportweg geht ein nicht geringer Anteil der gewonnenen Energie als Abwärme verloren.
Rund drei Jahre Zeit haben Desertec-Chef Paul van Son und seine Mitarbeiter nun, um die technischen und regulatorischen Dinge zu klären. Bis 2012 wollen sie die Argumente der Kritiker widerlegen. Etwa jenes des SPD-Energieexperten Hermann Scheer, der gegenüber "Spiegel Online" jüngst die Meinung vertrat, dass "der Gesamtaufwand des Projekts kaum kalkulierbar" sei. "Desertec ist eine Fata Morgana, die nicht ausreichend politisch und wirtschaftlich betrachtet worden ist", so Scheer. Die Solar-Gläubigen hätten zum Beispiel nicht kalkuliert, dass Sandstürme, die in der Sahara regelmäßig vorkommen, die Anlagen zerstören könnten. Und nicht zuletzt brauche man für die Solarthermie-Technik Wasser: "Wo soll man das denn regelmäßig günstig herschaffen?", fragt der Experte.
Paul van Son gibt sich derweil gelassen. In einem Interview mit der "Financial Times Deutschland" unterstrich der Energie-Manager heute, dass "weder der Stromtransport noch politische Fragen unlösbare Probleme" darstellten. Als Beispiel dient ihm die Stromerzeugung aus Wasserkraft, wie sie in Kanada betrieben wird. Dort würde die kostbare Energie zum Teil über Strecken von 2000 Kilometern transportiert - mit vergleichsweise geringen Verlusten.
Ohnehin ist die Technik wohl eher das kleinere Problem, meinte unlängst Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik, ebenfalls in der FTD: "Wenn das Projekt Erfolg haben soll, muss eine Win-win-Situation quer über und um das Mittelmeer hergestellt und die Verantwortung für den Erfolg geteilt werden. Nur wenn die lokalen Partner voll integriert werden, besteht Aussicht auf baldige Umsetzung."
Utopia - zum Greifen nah? Mitnichten. Wer sich die langwierige und mit Hindernissen übersäte Enstehungsgeschichte der von den Anrainerstaaten angestrebten Mittelmeerunion ansieht, muss zu dem Schluss kommen, dass ein Projekt wie Desertec - so verheißungsvoll es sein mag - vermutlich zum Scheitern verurteilt ist. Paul van Son, der übrigens eine private Stiftung in Afrika leitete, bevor er zu Desertec kam, bleibt dennoch zuversichtlich: "Energietechnisch", so der Unbeirrte im FTD-Interview, "ist die Sahara geradezu ein Paradies." Dieses Potenzial will er nicht ungenutzt lassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen