Donnerstag, 29. Oktober 2009

Neuerdings ...

... nutzen auch Menschen das Internet. Zu dieser überraschenden Erkenntnis gelangt ein Bloggie auf der Seite "Zu Blog geschlagene Sprache". Dort heißt es nämlich:

"Zur Zeit wird vermehrt von Menschen das Internet als Soziales Netzwerk entdeckt, um gemeinsam den persönlichen Anliegen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen."

Wahrlich eine aufregende Beobachtung, zumal inzwischen allein bei Facebook rund 800 Millionen unserer Artgenossen registriert sind.

Gibt es eigentlich Angaben zur nichtmenschlichen Population in sozialen Netzwerken? Mal abgesehen von digitalen Kuscheltieren, Post-Tamagotchi-Ära-Geschöpfen usw. Folgt man den Ausführungen des genannten bloggenden Beobachters, wäre es doch an der Zeit herauszufinden, ob WIR allein sind im Netz. Oder ob dort - bislang unbemerkt - noch andere Kreaturen ihr Unwesen treiben, sich womöglich organisieren und insgeheim Pläne schmieden, um dereinst die Herrschaft über den Planeten an sich zu reißen.

Trust no-one!

Schon GEZahlt?

Diese dumme Anmache der Gebühreneintreiber könnte bald Geschichte sein. Denn die öffentlich-rechtliche Rundfunkgrundversorgung soll nach dem Willen einiger Politiker eine neue Finanzierungsbasis bekommen. Die Rundfunkkommission der Länder werde sich heute mit dem Thema beschäftigen und einen Zeitplan für das ambitionierte Vorhaben erarbeiten, heißt es bei urheberrecht.org. Ferner sei ein Gutachten zu einem geräteunabhängigen Haushaltsmodell beim Verfassungs- und Steuerrechtler Paul Kirchhof in Auftrag gegeben worden, berichtet der Mediendienst "Kontakter". Danach sei eine einheitliche Abgabe geplant, womöglich pro Haushalt und ganz gleich, ob dort ÖR-Medien konsumiert werden oder nicht. Im Klartext: Ab 2013 würde je Haushalt oder Betriebsstätte eine Abgabe unabhängig davon erhoben werden, mit welchen und mit wie vielen Geräten die öffentlich-rechtlichen Sender empfangen werden. So weit, so dreist?

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die ÖR-Sendeanstalten gerade in Zeiten der anhaltenden Werbeflaute und des zunehmenden Reichweitenverlusts - vor allem junge Menschen wenden sich vom Medium Fernsehen ab, weil sie sowohl Information als auch Unterhaltung ebenso gut im Internet finden - nach neuen Geldquellen Ausschau halten. Doch woher nehmen, wenn nicht per Gesetz verordnen? Der Rundfunkstaatsvertrag bietet jedenfalls in seiner jetzigen Form den Sendern kaum weitere Möglichkeiten, die Einnahmen zu steigern. Logischer Schluss: Die Bürger sollen tiefer in die Tasche greifen, und zwar flächendeckend.

Wenn so einer wie Kirchhof daran mitwirkt, sind radikale Änderungsvorschläge denkbar. War er es doch, der vor knapp fünf Jahren als Merkels Schattenfinanzminister das bundesdeutsche Steuersystem gründlich vereinfachen wollte - dann aber per Ellbogen-Check aus dem Kabinett befördert wurde. Seither war es ruhig um den geschassten Steuerrebellen. Bis auf ein Buch hat er öffentlich kaum Nennenswertes abgesondert. Darin geht es übrigens um nichts Geringeres als soziale Gerechtigkeit. Zurecht darf man also auf Kirchhofs Ideen zur Reform der Rundfunkgebühren gespannt sein. Ob sie am Ende aber als sozial gerecht empfunden werden, ist fraglich. Denn unterm Strich sehnen sich die ÖR-Sender nach nichts anderem als der Sicherung des eigenen Fortbestands. Und weil die Rundfunkkommission der Länder zugleich Auftraggeber des Gutachtens und ein treuer Lobbyist von ARD und ZDF ist, dürfte die Tendenz der Kirchhofschen Ratschläge von vornherein klar sein: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss weiter subventioniert werden, jetzt aber richtig - indem auch jene Bürger zur Kasse gebeten werden, die das Angebot nicht nutzen. Ist doch gerecht, oder?

Dienstag, 27. Oktober 2009

Big weg - McDonald's verlässt Island

Die Wirtschaftskrise hat die subarktische Inselrepublik schwer getroffen. Doch während das Land die finanziellen Probleme so gerade eben noch meistern konnte - freilich mithilfe internationaler Kredite -, fällt nun eine der Säulen der Grundernährung weg. Der Burger-Brater McDonald's schließt alle drei Restaurants in Island, weil die Rohstoffe unerschwinglich teuer geworden sind.

"Es ist unfassbar", sagt Jon Ogmundsson, der Betreiber der Filialen, "für ein Kilo Import-Zwiebeln aus Deutschland zahle ich inzwischen so viel wie für eine Flasche Whiskey." Die isländische Krone hat seit dem Frühjahr mehr als drei Viertel ihres Werts gegenüber dem Euro verloren. Ogmundsson will nun aus der Not eine Tugend machen und plant eine eigene Schnellimbiss-Kette, die heimische Produkte verwendet. Da dürfte es dann vor allem Fisch-Burger geben. Und falls die Finanz- eine Energiekrise nach sich zöge, könnte der clevere Fritten-Chef von heißem Fett auf heiße Quellen umsteigen: Geysire gibt es in Island vermutlich mehr als Fritteusen.

Montag, 26. Oktober 2009

Aus der Hüfte geschrieben (1)

Südseite

An den Tag, als sie mich abholten, erinnere ich mich noch gut. Ganz so, als sei es erst gestern gewesen. Sie fuhren mit mir weit, weit hinaus, an einen Ort, wo die Füchse einander "Gute Nacht" sagen. (Wenn einer sagen kann, dass dieses alte Sprichwort zutrifft, bin ich es wohl.) Jedenfalls sind dort, wo ich seit jenem Tag ausharren muss, weit und breit kein Haus, kein Hof zu sehen - bloß eine Kreuzung und vier sich in der endlosen Weite verlierende Asphaltbänder.

Der Wagen hielt an, dann ging alles verdammt schnell. Zwei Männer zogen mich von der Ladefläche des Lkws; der eine hielt mich am oberen Ende, der andere um die Taille. Sie legten mich an den Straßenrand, und es machte ihnen offenbar nichts aus, dass der Grünstreifen feucht und mit Hasenkacke übersät war. Stumm ertrug ich die Demütigung.

Dann luden sie auch meine drei Begleiter ab: Viktor und Veronika, mit denen ich im Grunde nichts zu tun hatte, weil sie aus einem anderen Lager stammten, rammten sie an den Ost- und Westseiten der Kreuzung in den kühlen, matschigen Boden. Anschließend kam mein Kumpel Oskar an die Reihe. Ohne dass ich mich von ihm verabschieden konnte, nahmen sie ihn und steckten ihn in ein vorgebohrtes Loch an der Nordseite. Ich hörte, wie sie ihn mit einem Hammer immer tiefer in die Erde trieben, bis er reglos und wie angewurzelt aus dem schmalen Loch ragte, seine Spitze rund drei Meter über dem Grund.

Die Männer klatschten den Dreck von den Händen, dann kamen sie langsam auf mich zu. Sie redeten nicht, und ich vermutete, dass Männer, die solche Arbeit verrichten, generell wortkarg sind. Was soll man einander auch sagen hier draußen in der Ödnis?

Einer zündete sich eine Zigarette an, der andere kaute unentwegt Kaugummi. Dann hievten sie mich mit vereinten Kräften aus dem Dreck und lehnten mich an den Wagen. Der Raucher schnappte sich einen Spaten und grub ein Loch an der Südseite der Kreuzung. Mein Loch.

Ich glaube, es war in diesem Moment, als mir zum ersten Mal klar wurde, dass ich eine Bestimmung hatte. Und dass ich das Glück hatte an der Südseite zu stehen. Oskar, der auch im Lager schon immer ein Pechvogel war, etwa weil sein Lack ständig abblätterte, hatte es nicht so gut getroffen. Wer mag schon ein Leben lang an der Nordseite stehen - stets mit dem Rücken zur Sonne?

Der mit dem Kaugummi begann plötzlich zu fluchen: "Wir haben zu wenig von dem Scheißzement! Wenn der Wind zunimmt, wird es bald schief stehen."

"Wen stört's?", entgegnete der Raucher, "ich frage mich sowieso, weshalb wir die Dinger hier aufstellen."

"Allerdings", stimmte der Andere zu. "Komm, pack mal mit an. Dann haben wir's hinter uns."

Sie schleppten mich an meinen Bestimmungsort. Dann ließen sie ruckartig los, und ich rauschte in die Tiefe. Mein Fuß schlug kräftig auf, und es gab einen dumpfen Schlag. Die Männer hatten zweifellos übersehen, dass ein großer Kiesel im Loch lag - oder sie scherten sich nicht darum, dass er unter mir zermahlen wurde.

Ungeschickt richteten sie mich aus und gossen Zement ins Loch. Nass, klebrig und kalt umschloss er meinen Fuss. Dann erwärmte sich die Masse, unerwartet, aber nicht unangenehm. Oft hatte ich überlegt, wie dieser Moment wohl sein würde. Der Zeitpunkt, an dem du weißt, dass du für immer deine Beweglichkeit verlierst. Jetzt, da es soweit war, konnte ich keinen klaren Gedanken fassen und ließ alles geschehen. Wie in Trance spürte ich, dass der Zement immer härter wurde. Bis er nach ein paar Minuten so fest war, dass er jegliche Bewegung verhinderte.

Dann nahmen sie mir den Sack ab, und die ganze Welt - jedenfalls der Teil, an dem ich mich befand - konnte mich sehen. Doch in all den Jahren, die ich an diesem Ort zubringen musste, nahm kaum jemand von mir Notiz. Nur gelegentlich, wenn sich ein Auto der Kreuzung näherte, sah ich, wie sich die Gesichtszüge des Fahrers zu einem Grinsen formten. Zu einem Grinsen, das der Freude über die Vorfahrt entsprang, die ich ihm signalisierte.