Samstag, 19. März 2011

Libyen - weshalb die deutsche Enthaltung falsch und fahrlässig ist

Gaddafi ist ein schlauer Fuchs. Nur wenige Stunden nach Inkrafttreten der UN-Resolution zur sogenannten No-fly zone über Libyen lässt er seinen stellvertretenden Außenminister einen einseitigen Waffenstillstand verkünden. Mit diesem geschickten Winkelzug versucht der Diktatur die Weltgemeinschaft zu täuschen und sie - zumindest zeitweilig - handlungsunfähig zu machen. Ein Spiel auf Zeit. Ein letzter machtpolitischer Poker, auf den sich der selbsternannte Wüstenoberst einlassen will, um seine Widersacher und deren Unterstützer in Streitigkeiten untereinander zu verwickeln. Streitigkeiten etwa darüber, ob das UN-Mandat gegebenenfalls erweitert werden müsse mit dem Ziel, Gaddafis Regime zu beenden. Darüber nämlich herrscht mitnichten Konsens im ansonsten überraschend einstimmig agierenden Sicherheitsrat.

Klar ist, dass dieser "Waffenstillstand" keiner ist. Denn Gaddafis Truppen nähern sich weiterhin unaufhaltsam der Stadt Bengasi. Das werden sie nicht in Form eines Entenrennens tun, sondern schwer bewaffnet - und bereit, die "Abtrünnigen" zu besiegen. Oder sie zumindest - nach Einnahme der Stadt - als "lebendige Schutzschilde" zu verwenden. Alles nicht neu, alles schon gesehen.

Inwiefern es aber schlau (oder gar geboten) gewesen sein soll, dass sich die Bundesrepublik aus dem Konflikt heraushält, wie es nun fast unisono vonseiten der Kommentatoren im deutschen Blätterwald zu hören und zu lesen ist, will sich nicht recht erschließen. Im Gegenteil: Durch die Enthaltung bei der Abstimmung im Sicherheitsrat hat die deutsche Regierung allenfalls klargemacht, dass es ihr egal ist, was derzeit in Libyen passiert. Sonst hätte sie mit "Ja" oder "Nein" gestimmt, also tatsächlich eine Position vertreten. Westerwelle und Co. müssen sich nun zurecht vorwerfen lassen, dass ihr Enthalten dem Ansehen Deutschlands als verlässlicher UN-Bündnispartner massiv schadet.

Egal war es den deutschen Regierungen übrigens nicht immer, wie es dem mit Ölmilliarden zahlenden Wüstendespoten geht: Zu Zeiten der Großen Koalition lieferte Deutschland Waffen im Wert von mehr als 80 Millionen Euro nach Tripolis. Ein Schelm, wer nun glaubt, dass dieses Faktum beim deutschen Votum im Sicherheitsrat eine Rolle gespielt haben könnte. Gewiss hätte es die schwarz-gelbe Koalition den Wählern irgendwie plausibel machen können, dass Angehörige der Bundeswehr in Nordafrika im Feuer von Waffen aus hiesiger Produktion sterben - aber so etwas kommt freilich im Vorfeld wichtiger Landtagswahlen nicht gut beim Wahlvolk an. Dann doch besser aus der Ferne den Schurken mit Kritik belegen - die dieser, feist und höchst perfide, mit künftig geltenden Sonderkonditionen für Deutschland beim Bezug von Öl beantwortet. Ein Hoch auf die deutsche Diplomatie!

Besonders ärgerlich - und daher hier noch kurz erwähnt - der Kommentar in der "Berliner Zeitung" zum Thema, in dem sogar ein Vergleich mit dem Nazi-General Rommel strapaziert wird: Eine multinationale Eingreiftruppe unter UN-Mandat mit dem Wüstenkrieg Rommels (und den damit einhergegangenen Greueln) in Verbindung zu bringen und damit das deutsche Votum im Sicherheitsrat als im historischen Kontext besonders verantwortungsbewusst zu bewerten, ist nichts als ein völlig verfehlter Reflex.

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