Gaddafi ist ein schlauer Fuchs. Nur wenige Stunden nach Inkrafttreten der UN-Resolution zur sogenannten No-fly zone über Libyen lässt er seinen stellvertretenden Außenminister einen einseitigen Waffenstillstand verkünden. Mit diesem geschickten Winkelzug versucht der Diktatur die Weltgemeinschaft zu täuschen und sie - zumindest zeitweilig - handlungsunfähig zu machen. Ein Spiel auf Zeit. Ein letzter machtpolitischer Poker, auf den sich der selbsternannte Wüstenoberst einlassen will, um seine Widersacher und deren Unterstützer in Streitigkeiten untereinander zu verwickeln. Streitigkeiten etwa darüber, ob das UN-Mandat gegebenenfalls erweitert werden müsse mit dem Ziel, Gaddafis Regime zu beenden. Darüber nämlich herrscht mitnichten Konsens im ansonsten überraschend einstimmig agierenden Sicherheitsrat.
Klar ist, dass dieser "Waffenstillstand" keiner ist. Denn Gaddafis Truppen nähern sich weiterhin unaufhaltsam der Stadt Bengasi. Das werden sie nicht in Form eines Entenrennens tun, sondern schwer bewaffnet - und bereit, die "Abtrünnigen" zu besiegen. Oder sie zumindest - nach Einnahme der Stadt - als "lebendige Schutzschilde" zu verwenden. Alles nicht neu, alles schon gesehen.
Inwiefern es aber schlau (oder gar geboten) gewesen sein soll, dass sich die Bundesrepublik aus dem Konflikt heraushält, wie es nun fast unisono vonseiten der Kommentatoren im deutschen Blätterwald zu hören und zu lesen ist, will sich nicht recht erschließen. Im Gegenteil: Durch die Enthaltung bei der Abstimmung im Sicherheitsrat hat die deutsche Regierung allenfalls klargemacht, dass es ihr egal ist, was derzeit in Libyen passiert. Sonst hätte sie mit "Ja" oder "Nein" gestimmt, also tatsächlich eine Position vertreten. Westerwelle und Co. müssen sich nun zurecht vorwerfen lassen, dass ihr Enthalten dem Ansehen Deutschlands als verlässlicher UN-Bündnispartner massiv schadet.
Egal war es den deutschen Regierungen übrigens nicht immer, wie es dem mit Ölmilliarden zahlenden Wüstendespoten geht: Zu Zeiten der Großen Koalition lieferte Deutschland Waffen im Wert von mehr als 80 Millionen Euro nach Tripolis. Ein Schelm, wer nun glaubt, dass dieses Faktum beim deutschen Votum im Sicherheitsrat eine Rolle gespielt haben könnte. Gewiss hätte es die schwarz-gelbe Koalition den Wählern irgendwie plausibel machen können, dass Angehörige der Bundeswehr in Nordafrika im Feuer von Waffen aus hiesiger Produktion sterben - aber so etwas kommt freilich im Vorfeld wichtiger Landtagswahlen nicht gut beim Wahlvolk an. Dann doch besser aus der Ferne den Schurken mit Kritik belegen - die dieser, feist und höchst perfide, mit künftig geltenden Sonderkonditionen für Deutschland beim Bezug von Öl beantwortet. Ein Hoch auf die deutsche Diplomatie!
Besonders ärgerlich - und daher hier noch kurz erwähnt - der Kommentar in der "Berliner Zeitung" zum Thema, in dem sogar ein Vergleich mit dem Nazi-General Rommel strapaziert wird: Eine multinationale Eingreiftruppe unter UN-Mandat mit dem Wüstenkrieg Rommels (und den damit einhergegangenen Greueln) in Verbindung zu bringen und damit das deutsche Votum im Sicherheitsrat als im historischen Kontext besonders verantwortungsbewusst zu bewerten, ist nichts als ein völlig verfehlter Reflex.
Syntax Surfer
Verbale Munition für Menschen, die hinter den Vorhang schauen
Samstag, 19. März 2011
Sonntag, 25. Juli 2010
Stecker ziehen
Es ist an der Zeit, die Verbindungen zur in weiten Teilen degenerierten, fehlgeleiteten 2.0-Welt zu kappen, schreibt Jaron Lanier, Philosoph und Vordenker aus der Pionierphase des Internets. In seinem kürzlich erschienenen Buch "You are not a Gadget" malt der altersweise Lanier ein Horrorgemälde des Social Webs und lässt kein gutes Haar an dessen mit - angeblich - 500 Millionen Mitgliedern derzeit verbreitetster Inkarnation: Facebook.
Folgt man seiner Argumentation, die in weiten Teilen schlüssig ist, zuweilen aber leicht paranoid klingt, verkümmerten Individualität und Kreativität der Nutzer von Facebook und Co. in bedrohlichem Ausmaß. Zugunsten von (anonymer) Anerkennung und "fragwürdigem Ruhm", so Lanier, begnügten sich die Nutzer des Social Webs immer mehr mit dem von den Internet-Konzernen bereitgestellten Schema erlaubter/möglicher Darstellungs- und Äußerungsformen. "Die Kreativität, die auf individuellen Websites möglich und sichtbar war, ist nurmehr ausnahmsweise vorhanden", stellt der einstige Internet-Guru ernüchtert fest und folgert daraus, dass Social-Media-Plattformen eine Art digitales Opium fürs Volk seien. Indem sie sich bei Abermillionen Menschen anbiedern und eine universelle Plattform für Kommunikation und Expressivität bilden, gaukeln sie eben dieser gigantischen und überaus heterogenen Zielgruppe vor, jede/r könne sich als Nutzer dieser Plattformen kreativ mit sogenannten Freunden und Freundesfreunden austauschen. Unterm Strich aber, so Lanier, seien derlei Angebote nichts weiter als mediale Gleichschaltung. Schon längst gehe es den Betreibern nicht mehr um das Wohl und die Wünsche der Nutzer, denn freilich regiert König Mammon auch diesen Winkel der Welt. Und weil eine Infrastruktur, die zum Betrieb eines Dienstes wie Facebook notwendig ist, auch bezahlt werden muss, gehe es für Marc Zuckermann und seinesgleichen inzwischen vorrangig ums wirtschaftliche Überleben.
Zwar hatte der Facebook-Gründer erst jüngst verlauten lassen, dass ein Börsengang seines Unternehmens vorerst nicht geplant sei. Umso mehr muss sich Zuck, wie Vertraute den Web-2.0-Überflieger nennen, Gedanken machen, auf welche Weise er überhaupt Geld machen kann. Mit ernstzunehmenden Werbeeinnahmen, beim Widersacher Google inzwischen eine belastbare Säule, dürfte Facebook erst dann rechnen, wenn das Unternehmen eine Methode entwickelt hat, um das Wissen über die (Konsum-)Vorlieben der Nutzer sinnvoll an die Media-Industrie weiterzugeben. Und davon ist Zuck meilenweit entfernt - auch weil in diese Richtung zielende Experimente wie "Beacon" sich aufgrund der vehementen Kritik der Nutzer schnell zum Bumerang entwickelt hatten.
Lanier ist gleichwohl sicher, dass es nur noch eine Frage der (kurzen) Zeit ist, bis die gleichgeschalteten 2.0-Jünger dazu genötigt werden, immer mehr Informationen über ihre (Kauf-)Interessen preiszugeben - und letztlich deren werbewirtschaftlicher Verwertung zustimmen, weil sie auf die lieb gewonnenen Dienste nicht mehr verzichten wollen (oder können). "Social Media Addicts", die die anfangs kostenlose Einstiegsdroge künftig mit der Preisgabe persönlicher Informationen bezahlen müssen. Wer nicht mitmachen will, fliegt entweder raus oder darf nur noch Basis-Dienste nutzen.
Als möglichen Ausweg skizziert Lanier, ganz Moralphilosoph, den präventiven Verzicht auf die Annehmlichkeiten des sozialen Webs. Weil wir uns nicht zu "gadgets" machen lassen dürfen, müssten wir rechtzeitig den 2.0-Stecker ziehen und uns wieder der eigentlichen Kreativität zuwenden - multiform statt uniform. Das bedeute zwar mehr Aufwand und eine intensivere Beschäftigung mit den Möglichkeiten des Mediums, verheiße aber freiere und bedingungslosere Schöpfungskraft.
Folgt man seiner Argumentation, die in weiten Teilen schlüssig ist, zuweilen aber leicht paranoid klingt, verkümmerten Individualität und Kreativität der Nutzer von Facebook und Co. in bedrohlichem Ausmaß. Zugunsten von (anonymer) Anerkennung und "fragwürdigem Ruhm", so Lanier, begnügten sich die Nutzer des Social Webs immer mehr mit dem von den Internet-Konzernen bereitgestellten Schema erlaubter/möglicher Darstellungs- und Äußerungsformen. "Die Kreativität, die auf individuellen Websites möglich und sichtbar war, ist nurmehr ausnahmsweise vorhanden", stellt der einstige Internet-Guru ernüchtert fest und folgert daraus, dass Social-Media-Plattformen eine Art digitales Opium fürs Volk seien. Indem sie sich bei Abermillionen Menschen anbiedern und eine universelle Plattform für Kommunikation und Expressivität bilden, gaukeln sie eben dieser gigantischen und überaus heterogenen Zielgruppe vor, jede/r könne sich als Nutzer dieser Plattformen kreativ mit sogenannten Freunden und Freundesfreunden austauschen. Unterm Strich aber, so Lanier, seien derlei Angebote nichts weiter als mediale Gleichschaltung. Schon längst gehe es den Betreibern nicht mehr um das Wohl und die Wünsche der Nutzer, denn freilich regiert König Mammon auch diesen Winkel der Welt. Und weil eine Infrastruktur, die zum Betrieb eines Dienstes wie Facebook notwendig ist, auch bezahlt werden muss, gehe es für Marc Zuckermann und seinesgleichen inzwischen vorrangig ums wirtschaftliche Überleben.
Zwar hatte der Facebook-Gründer erst jüngst verlauten lassen, dass ein Börsengang seines Unternehmens vorerst nicht geplant sei. Umso mehr muss sich Zuck, wie Vertraute den Web-2.0-Überflieger nennen, Gedanken machen, auf welche Weise er überhaupt Geld machen kann. Mit ernstzunehmenden Werbeeinnahmen, beim Widersacher Google inzwischen eine belastbare Säule, dürfte Facebook erst dann rechnen, wenn das Unternehmen eine Methode entwickelt hat, um das Wissen über die (Konsum-)Vorlieben der Nutzer sinnvoll an die Media-Industrie weiterzugeben. Und davon ist Zuck meilenweit entfernt - auch weil in diese Richtung zielende Experimente wie "Beacon" sich aufgrund der vehementen Kritik der Nutzer schnell zum Bumerang entwickelt hatten.
Lanier ist gleichwohl sicher, dass es nur noch eine Frage der (kurzen) Zeit ist, bis die gleichgeschalteten 2.0-Jünger dazu genötigt werden, immer mehr Informationen über ihre (Kauf-)Interessen preiszugeben - und letztlich deren werbewirtschaftlicher Verwertung zustimmen, weil sie auf die lieb gewonnenen Dienste nicht mehr verzichten wollen (oder können). "Social Media Addicts", die die anfangs kostenlose Einstiegsdroge künftig mit der Preisgabe persönlicher Informationen bezahlen müssen. Wer nicht mitmachen will, fliegt entweder raus oder darf nur noch Basis-Dienste nutzen.
Als möglichen Ausweg skizziert Lanier, ganz Moralphilosoph, den präventiven Verzicht auf die Annehmlichkeiten des sozialen Webs. Weil wir uns nicht zu "gadgets" machen lassen dürfen, müssten wir rechtzeitig den 2.0-Stecker ziehen und uns wieder der eigentlichen Kreativität zuwenden - multiform statt uniform. Das bedeute zwar mehr Aufwand und eine intensivere Beschäftigung mit den Möglichkeiten des Mediums, verheiße aber freiere und bedingungslosere Schöpfungskraft.
Freitag, 8. Januar 2010
Sarkozys protektionistische Reflexe
Die französische Regierung gibt sich einfallsreich bei der Rettung der klassischen Medien. Staatspräsident Sarkozy liebäugelt seit kurzem mit einer sogenannten Google-Steuer, um mit den Einnahmen etwa den angeschlagenen Printimperien und Musikkonzernen des Landes unter die Arme zu greifen. Eine jüngst von Sarkozy eingesetzte Kommission, die vom Chef des Plattenlabels Naive geleitet wird, bei dem auch Präsidentengattin Carla Bruni unter Vertrag ist, fordert eine Abgabe von ein bis zwei Prozent auf Werbeeinnahmen im Internet. Mit dem jährlichen Erlös von schätzungsweise 20 Millionen Euro könnten Berichten zufolge eine Kampagne gegen Raubkopierer finanziert und marode Verlage subventioniert werden.
Die Idee an sich ist nicht neu: Auch Berlin plant laut Koalitionsvertrag auf Druck der Verlage ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Medien (SyntaxSurfer berichtete). Danach sollen Pressehäuser die Möglichkeit bekommen, Lizenzzahlungen von Anbietern wie Google zu verlangen und damit an den Online-Erlösen mitzuverdienen.
Sarkozys Vorstoß dürfte von vornherein zum Scheitern verurteilt sein, zumal die geplante Steuer das Wesen des Internets völlig verkennt und dessen Mechanismen ignoriert: Wie soll die Steuerschuld exakt berechnet und von Frankreich eingetrieben werden, wenn die meisten Unternehmen, die Sarkozy ins Visier genommen hat (neben Google auch Yahoo, Microsoft, Facebook und andere Anbieter von Suchdiensten und Social-Networking-Plattformen), ihren Hauptsitz in den USA haben, die Verwaltungen etwa in Irland oder auf den Cayman Inseln angesiedelt und die Server über den gesamten Erdball verstreut sind? Ob die Kommission darauf die passenden Antworten findet, ist fraglich.
Der in jüngster Zeit immer öfter zu beobachtende Neo-Protektionismus ist nichts weiter als ein - vielleicht letzter - Reflex der Old Economy, mithilfe der Politik die tradierte Wirtschaftsordnung am Leben zu halten. Eine Ordnung, die freilich jahrezehntelang funktionierte und den Reichtum der Verleger zu mehren imstande war, die sich inzwischen aber überlebt hat. Ihre Protagonisten wollen sie - aus nachvollziehbaren Gründen - auf Gedeih und Verderb erhalten und suchen daher Verbündete im politischen Lager. Solange deren Ideen aber ebenso anachronistisch und unbeholfen sind wie die der französischen und deutschen Regierungen, dürfte der Niedergang der alten Ordnung nicht aufzuhalten sein. Vive la révolution!
Die Idee an sich ist nicht neu: Auch Berlin plant laut Koalitionsvertrag auf Druck der Verlage ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Medien (SyntaxSurfer berichtete). Danach sollen Pressehäuser die Möglichkeit bekommen, Lizenzzahlungen von Anbietern wie Google zu verlangen und damit an den Online-Erlösen mitzuverdienen.
Sarkozys Vorstoß dürfte von vornherein zum Scheitern verurteilt sein, zumal die geplante Steuer das Wesen des Internets völlig verkennt und dessen Mechanismen ignoriert: Wie soll die Steuerschuld exakt berechnet und von Frankreich eingetrieben werden, wenn die meisten Unternehmen, die Sarkozy ins Visier genommen hat (neben Google auch Yahoo, Microsoft, Facebook und andere Anbieter von Suchdiensten und Social-Networking-Plattformen), ihren Hauptsitz in den USA haben, die Verwaltungen etwa in Irland oder auf den Cayman Inseln angesiedelt und die Server über den gesamten Erdball verstreut sind? Ob die Kommission darauf die passenden Antworten findet, ist fraglich.
Der in jüngster Zeit immer öfter zu beobachtende Neo-Protektionismus ist nichts weiter als ein - vielleicht letzter - Reflex der Old Economy, mithilfe der Politik die tradierte Wirtschaftsordnung am Leben zu halten. Eine Ordnung, die freilich jahrezehntelang funktionierte und den Reichtum der Verleger zu mehren imstande war, die sich inzwischen aber überlebt hat. Ihre Protagonisten wollen sie - aus nachvollziehbaren Gründen - auf Gedeih und Verderb erhalten und suchen daher Verbündete im politischen Lager. Solange deren Ideen aber ebenso anachronistisch und unbeholfen sind wie die der französischen und deutschen Regierungen, dürfte der Niedergang der alten Ordnung nicht aufzuhalten sein. Vive la révolution!
Dienstag, 24. November 2009
Content-Gebühr durch die Hintertür
In Zeiten wegbrechender Werbeeinnahmen und sinkender Verkaufszahlen wollen Deutschlands Presseverlage nicht länger tatenlos zusehen, wie ihre Zunft wirtschaftlich vor die Hunde geht. Zahllose Sparrunden haben sie veranstaltet, Tausende Mitarbeiter nachhause geschickt und auf Geheiß der deckungsbeitragsgeilen Controller so gut wie jede Publikation bis zur Silhouette verschlankt (respektive etliche zu Tode saniert). All das scheint nicht geholfen zu haben, um sich des übermächtigen Molochs Internet zu erwehren. Jetzt legen die Printbarone noch einmal nach und machen ihren Einfluss in der Politik - genauer: in der schwarz-gelben Regierung - geltend.
Unter Bezug auf das im Koalitionsvertrag stehende Leistungsschutzrecht für journalistische Inhalte im Netz solle nach Vorstellung der Verlage "in Zukunft kostenpflichtig werden, was heute für jeden Nutzer selbstverständlich und wesentlich ist: die Verlinkung von Beiträgen und die kleinen Ausschnitte (Snippets) in den Suchergebnislisten", heißt es heute in der "FTD". Das Blatt bezieht sich auf Aussagen führender Verlagsmanager anlässlich einer Podiumsdiskussion zum Thema Paid Content vergangene Woche in Berlin. Begründet wurde die absurde Forderung nach kostenpflichtigen Links und Snippets damit, dass nur so die Urheber der Beiträge gerecht entlohnt werden könnten.
Ganz gleich, ob derlei Aufwand technisch realisierbar wäre - woran es begründete Zweifel gibt -, zeigt die Idee indes, in welche Richtung die Verleger denken: Im gleichen Atemzug räumten sie nämlich ein, dass nicht die einzelnen Nutzer direkt zur Kasse gebeten würden, sondern die Anbieter, auf deren Seiten jene Links und/oder Snippets verwendet werden. Eine (noch zu gründende) Verwertungsgesellschaft müsse dann sicher stellen, dass die Obolus eingesammelt und an die Verlage ausgezahlt werden. Wie am Ende die Urheber, sprich: die Autoren, ihren Anteil bekommen sollen, steht allerdings noch in den Sternen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Paid Content - die deutschen Verlage steuern munter in eine Sackgasse. Während andernorts Modelle mit Micropayments einigen Erfolg aufweisen und fortschrittliche Verlage das unter Software-Entwicklern populäre Prinzip der Donationware für ihre Online-Inhalte testen, versuchen es die hiesigen Printmedien mit der Brechstange und wollen durch die politische Hintertür quasi eine GEZ für Online-Mediennutzung installieren - die nicht direkt beim Nutzer die Klinke putzt, sondern - subtiler noch - beim Anbieter die Hand aufhält.
Keine Frage: Qualitativ hochwertiger Journalismus kostet Geld, seine Produkte sollte es nicht per se gratis geben. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie in Form bedruckten Papiers oder als digitale Inhalte vorliegen. Nur ist es höchst fragwürdig, den Nutzern dafür eine (indirekte) Pauschale abzuverlangen. Denn nichts anderes käme dabei heraus, wenn Anbieter oder Provider für Links und Snippets zahlen müssten - weil sie die dadurch anfallenden Kosten ihrerseits auf die Kunden umlegten. Mit anderen Worten: Auch wenn du nicht jeden Morgen Brötchen beim Bäcker kaufst, müsstest du ihm bei diesem Modell monatlich eine fixe Summe zahlen, weil er sie für dich bereithält und du sie theoretisch kaufen könntest. Der Bäcker minimiert sein Risiko auf Kosten deiner Kasse. Ob die Bäckerinnung eine solche, zumal gesetzlich verordnete Brötchen-Flatrate durchsetzen könnte, ist fraglich. Und ebenso wenig wünschenswert wie die jetzt von den Verlagen angestrebte Content-Gebühr.
Unter Bezug auf das im Koalitionsvertrag stehende Leistungsschutzrecht für journalistische Inhalte im Netz solle nach Vorstellung der Verlage "in Zukunft kostenpflichtig werden, was heute für jeden Nutzer selbstverständlich und wesentlich ist: die Verlinkung von Beiträgen und die kleinen Ausschnitte (Snippets) in den Suchergebnislisten", heißt es heute in der "FTD". Das Blatt bezieht sich auf Aussagen führender Verlagsmanager anlässlich einer Podiumsdiskussion zum Thema Paid Content vergangene Woche in Berlin. Begründet wurde die absurde Forderung nach kostenpflichtigen Links und Snippets damit, dass nur so die Urheber der Beiträge gerecht entlohnt werden könnten.
Ganz gleich, ob derlei Aufwand technisch realisierbar wäre - woran es begründete Zweifel gibt -, zeigt die Idee indes, in welche Richtung die Verleger denken: Im gleichen Atemzug räumten sie nämlich ein, dass nicht die einzelnen Nutzer direkt zur Kasse gebeten würden, sondern die Anbieter, auf deren Seiten jene Links und/oder Snippets verwendet werden. Eine (noch zu gründende) Verwertungsgesellschaft müsse dann sicher stellen, dass die Obolus eingesammelt und an die Verlage ausgezahlt werden. Wie am Ende die Urheber, sprich: die Autoren, ihren Anteil bekommen sollen, steht allerdings noch in den Sternen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Paid Content - die deutschen Verlage steuern munter in eine Sackgasse. Während andernorts Modelle mit Micropayments einigen Erfolg aufweisen und fortschrittliche Verlage das unter Software-Entwicklern populäre Prinzip der Donationware für ihre Online-Inhalte testen, versuchen es die hiesigen Printmedien mit der Brechstange und wollen durch die politische Hintertür quasi eine GEZ für Online-Mediennutzung installieren - die nicht direkt beim Nutzer die Klinke putzt, sondern - subtiler noch - beim Anbieter die Hand aufhält.
Keine Frage: Qualitativ hochwertiger Journalismus kostet Geld, seine Produkte sollte es nicht per se gratis geben. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie in Form bedruckten Papiers oder als digitale Inhalte vorliegen. Nur ist es höchst fragwürdig, den Nutzern dafür eine (indirekte) Pauschale abzuverlangen. Denn nichts anderes käme dabei heraus, wenn Anbieter oder Provider für Links und Snippets zahlen müssten - weil sie die dadurch anfallenden Kosten ihrerseits auf die Kunden umlegten. Mit anderen Worten: Auch wenn du nicht jeden Morgen Brötchen beim Bäcker kaufst, müsstest du ihm bei diesem Modell monatlich eine fixe Summe zahlen, weil er sie für dich bereithält und du sie theoretisch kaufen könntest. Der Bäcker minimiert sein Risiko auf Kosten deiner Kasse. Ob die Bäckerinnung eine solche, zumal gesetzlich verordnete Brötchen-Flatrate durchsetzen könnte, ist fraglich. Und ebenso wenig wünschenswert wie die jetzt von den Verlagen angestrebte Content-Gebühr.
Mittwoch, 18. November 2009
Wer kauft den "Playboy"?
Hugh Hefner trennt sich von den Bunnies. Der 83-jährige Gründer des "Playboy" sucht nach Kräften einen Käufer für sein angeschlagenes, höchst defizitäres Männermagazin. Das Blatt stehe mit geschätzten 100 Millionen Dollar in der Kreide, heißt es in informierten Kreisen. Das Dreifache will der greise Frauenschwachmacher nun mit dem Verkauf erlösen - um auf seine alten Tage nicht plötzlich auf der Straße zu landen. Wer will es dem "Grand Daddy of Soft Porn" da verdenken, dass er derzeit für Angebote aller Art offen ist? Hier drei potenzielle Übernahmekandidaten:
1. Das Pentagon - dessen Abteilung "Interne Kommunikation" in dem freizügigen Centerfold-Blatt gewiss das ideale Sprachrohr für die Truppe hätte. Zwar stehen auch immer mehr Frauen in Diensten der US Army. Die würden dann aber, wie bisher auch, die tollen Interviews lesen dürfen, mit denen Männer den Besitz eines "Playboy"-Hefts ja zu gern rechtfertigen. Den von Hefner erhofften Verkaufspreis dürfte das US-Verteidigungsministerium mit einem winzigen Bruchteil seiner Portokasse bestreiten können: Der US-Verteidigungshaushalt beläuft sich im kommenden Jahr auf 533,7 Milliarden Dollar.
2. Die Taliban - sie würden das Blatt glatt ohne Interviews und sonstige, vom wesentlichen Inhalt ablenkende Beiträge drucken und 98 Prozent nackte Körper zeigen. Das nicht etwa, um selbst Entsagtem etwas entgegen zu setzen, sondern um das Magazin in millionenfacher Auflage unter den NATO-Truppen in Afghanistan zu verbreiten. Das Kalkül der Gotteskämpfer ist simpel: Soldaten, die gerade hinter der Spindtür Hand anlegen, können keine Tanklaster in die Luft sprengen oder die lukrative Mohnernte stören - aus deren Erlösen übrigens die Übernahme finanziert würde.
3. Der Vatikan - hat Geld genug, um Hefner vor dem Bankrott zu retten. Und Grund genug obendrein: Mit diesem Coup würde es der Katholischen Kirche gelingen, eine weitere, seit Jahrzehnten uneinnehmbare Bastion der sexuellen Freizügigkeit auszuschalten. Es versteht sich, dass die Mannen um Vorstandschef Ratzinger kein wirkliches Interesse daran hätten, das Blatt weiterhin zu publizieren. Es würde, samt der Marke "Playboy", in die Tonne gesteckt. Und die Kosten kämen durchs Personal-Leasing von zu Osterhasen umfunktionierten Bunnies auch wieder rein. Hauptkunde: Berlusconi.
1. Das Pentagon - dessen Abteilung "Interne Kommunikation" in dem freizügigen Centerfold-Blatt gewiss das ideale Sprachrohr für die Truppe hätte. Zwar stehen auch immer mehr Frauen in Diensten der US Army. Die würden dann aber, wie bisher auch, die tollen Interviews lesen dürfen, mit denen Männer den Besitz eines "Playboy"-Hefts ja zu gern rechtfertigen. Den von Hefner erhofften Verkaufspreis dürfte das US-Verteidigungsministerium mit einem winzigen Bruchteil seiner Portokasse bestreiten können: Der US-Verteidigungshaushalt beläuft sich im kommenden Jahr auf 533,7 Milliarden Dollar.
2. Die Taliban - sie würden das Blatt glatt ohne Interviews und sonstige, vom wesentlichen Inhalt ablenkende Beiträge drucken und 98 Prozent nackte Körper zeigen. Das nicht etwa, um selbst Entsagtem etwas entgegen zu setzen, sondern um das Magazin in millionenfacher Auflage unter den NATO-Truppen in Afghanistan zu verbreiten. Das Kalkül der Gotteskämpfer ist simpel: Soldaten, die gerade hinter der Spindtür Hand anlegen, können keine Tanklaster in die Luft sprengen oder die lukrative Mohnernte stören - aus deren Erlösen übrigens die Übernahme finanziert würde.
3. Der Vatikan - hat Geld genug, um Hefner vor dem Bankrott zu retten. Und Grund genug obendrein: Mit diesem Coup würde es der Katholischen Kirche gelingen, eine weitere, seit Jahrzehnten uneinnehmbare Bastion der sexuellen Freizügigkeit auszuschalten. Es versteht sich, dass die Mannen um Vorstandschef Ratzinger kein wirkliches Interesse daran hätten, das Blatt weiterhin zu publizieren. Es würde, samt der Marke "Playboy", in die Tonne gesteckt. Und die Kosten kämen durchs Personal-Leasing von zu Osterhasen umfunktionierten Bunnies auch wieder rein. Hauptkunde: Berlusconi.
Montag, 16. November 2009
Flirt-Wortschatz, advanced course
Wieder einmal erweist sich die Kleine Pause in HH-Eimsbüttel als großer Gewinn. Nicht etwa nur, weil ich dort meinen Hunger stillen kann und die wohl leckerste Currywurst außerhalb Berlins bekomme, sondern auch und gerade wegen des interessanten Sprachschatzes der Gäste, die sich allabendlich am Tresen niederlassen, um Astra oder sonstige Kultgetränke hinunter zu kippen.
So notierte ich heute den Begriff Proforma-Anmache - gelassen ausgesprochen von einer in unmittelbarer Nachbarschaft und damit in Hörweite sitzenden Frau, die mit diesem verbalen Totschläger ihren Nebenmann kurzentschlossen abtropfen ließ. Hier ein Ausschnitt des zunächst angeregten, dann aber abrupt endenden Dialogs:
Er: "Wir haben uns lange nicht gesehen, V. ... Seit wann bist du wieder in Hamburg?"
Sie (kramt geschäftig in der Handtasche und wendet sich dann ihrem Gesprächspartner zu): "Stimmt, kommt mir wie 'ne kleine Ewigkeit vor. In Zukunft lassen wir nicht so viel Zeit verstreichen."
Er (lächelt): "Nee, das würd' ich sowieso nicht aushalten."
Sie (mit dem Gesichtsausdruck eines pausbäckigen Fragezeichens): "Wieso?"
Er (leiser): "Weil du mir echt ganz schön gefehlt hast ..."
Sie: "Ach lass, ma'. Deine Proforma-Anmache kannst du dir sparen, M."
Er trank dann noch, sichtlich verstört, das Bier aus, um sich schließlich - schneller, als anfangs zu erwarten war - von ihr zu verabschieden. Die (nicht gestellte) Frage, wie viel Zeit denn bis zum nächsten Treffen vergehen werde, ließ er unbeantwortet.
So notierte ich heute den Begriff Proforma-Anmache - gelassen ausgesprochen von einer in unmittelbarer Nachbarschaft und damit in Hörweite sitzenden Frau, die mit diesem verbalen Totschläger ihren Nebenmann kurzentschlossen abtropfen ließ. Hier ein Ausschnitt des zunächst angeregten, dann aber abrupt endenden Dialogs:
Er: "Wir haben uns lange nicht gesehen, V. ... Seit wann bist du wieder in Hamburg?"
Sie (kramt geschäftig in der Handtasche und wendet sich dann ihrem Gesprächspartner zu): "Stimmt, kommt mir wie 'ne kleine Ewigkeit vor. In Zukunft lassen wir nicht so viel Zeit verstreichen."
Er (lächelt): "Nee, das würd' ich sowieso nicht aushalten."
Sie (mit dem Gesichtsausdruck eines pausbäckigen Fragezeichens): "Wieso?"
Er (leiser): "Weil du mir echt ganz schön gefehlt hast ..."
Sie: "Ach lass, ma'. Deine Proforma-Anmache kannst du dir sparen, M."
Er trank dann noch, sichtlich verstört, das Bier aus, um sich schließlich - schneller, als anfangs zu erwarten war - von ihr zu verabschieden. Die (nicht gestellte) Frage, wie viel Zeit denn bis zum nächsten Treffen vergehen werde, ließ er unbeantwortet.
Montag, 9. November 2009
Autonome Region Mauertanien
Jeder achte Deutsche will die Mauer zurück. Mit dieser Meldung verstört die "Leipziger Volkszeitung" pünktlich zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls die Republik. Bei einer von dem Blatt initiierten repräsentativen Umfrage des Leipziger Instituts für Marktforschung kritisierten mehr als ein Drittel der Befragten, dass Wirtschaft, Sozialwesen und Politik - und damit der Kern der Lebensbedingungen - zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR wesentlich ungerechter seien als zur Zeit der beiden deutschen Staaten. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte im September eine Forsa-Umfrage, bei der sich fast jeder sechste Teilnehmer für den sofortigen Wiederaufbau der Mauer aussprach - übrigens zu annähernd gleichen Teilen in Ost und West.
"Something's rotten in the State of Germany", könnte man - frei nach Shakespeare - folgern. Das aber wäre zu kurz gegriffen, denn derzeit herrscht weltweit große Unzufriedenheit mit dem Kapitalismus: Eine Studie im Auftrag der britischen BBC förderte jüngst zutage, dass nur elf Prozent der Befragten in 27 Ländern der Ansicht sind, der Kapitalismus funktioniere gut. Lediglich in den USA (25 Prozent) und Pakistan (21 Prozent) war mehr als jeder Fünfte mit der aktuellen Wirtschaftsordnung zufrieden.
Die Bestandsaufnahme ist beunruhigend, wenngleich kaum überraschend. So beunruhigend aber doch, dass Leute wie Martin Sonneborn und dessen Sammelsurium querdenkender politischer Grenzgänger es sich nicht nehmen ließen, an der ehemaligen innerdeutschen Grenze eine Aktion zu inszenieren, bei der sie die Mauer wieder aufbauen wollten. Das war freilich ein halbherziger, vor allem an die Medien adressierter Akt, um die Aufmerksamkeit für ihre bei der Bundestagswahl nicht zugelassene Partei "Die Partei" zu steigern.
Konsequenter wäre es doch, die zwölf bis 16 Prozent der Deutschen, die sich die Mauer zurückwünschen, gleich mit einer ebensolchen zu umgeben. Etwa in den idyllischen Bundesländern Thüringen und Sachsen-Anhalt. Zwar ergeben beide Länder zusammen nur rund ein Zehntel des gesamten bundesdeutschen Territoriums. Es dürfte aber kaum Probleme bereiten, die Mauerfreunde auf diesem Areal zusammenzufassen. "Blühende Landschaften" gibt es dort auch, etwa den Rennsteig in Thüringen oder die Wörlitzer Parkanlagen. Dort könnten sie sich nahezu ungestört austoben. Selbst ein paar größere Städte sind in der Region vorhanden, die mit allerlei Industrie, Dienstleistung, sozialer Infrastruktur und Kultur im Grunde alles bieten, was die Bürger von Mauertanien - so der Name der neuen autonomen Region inmitten der Bundesrepublik - sich wünschen.
Wer jetzt meint, das röche verdammt nach Ausgrenzung oder Ghettoisierung - hat natürlich recht. Und als verantwortungsbewusster Staat sollte die Bundesrepublik in der Tat einschreiten und eine derartige Entwicklung verhindern. Hat sie aber nicht - ganze 20 Jahre lang. So ist die Fraktion derer, die sich die Mauer zurückwünschen, Jahr um Jahr größer geworden. Was liegt da näher, als das Autonomiestreben dieser immerhin zehn bis zwölf Millionen Menschen nun endlich nach Kräften zu fördern? Volkswirte könnten argwöhnen, dass die Produktivität der Restrepublik darunter litte. Doch dieser Effekt dürfte nur vorübergehend sein. Denn die jüngsten Umfragen ergaben auch, dass die überwiegende Mehrheit der Mauersehnsüchtigen bereits älter als 50 Jahre ist. Nicht dass ältere Menschen weniger produktiv seien - aber sie sind weniger reproduktiv. Und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis das an die autonomen Republikflüchtlinge verliehene Territorium mangels verbleibender Einwohner wieder annektiert werden könnte. Fast so wie vor 20 Jahren also.
"Something's rotten in the State of Germany", könnte man - frei nach Shakespeare - folgern. Das aber wäre zu kurz gegriffen, denn derzeit herrscht weltweit große Unzufriedenheit mit dem Kapitalismus: Eine Studie im Auftrag der britischen BBC förderte jüngst zutage, dass nur elf Prozent der Befragten in 27 Ländern der Ansicht sind, der Kapitalismus funktioniere gut. Lediglich in den USA (25 Prozent) und Pakistan (21 Prozent) war mehr als jeder Fünfte mit der aktuellen Wirtschaftsordnung zufrieden.
Die Bestandsaufnahme ist beunruhigend, wenngleich kaum überraschend. So beunruhigend aber doch, dass Leute wie Martin Sonneborn und dessen Sammelsurium querdenkender politischer Grenzgänger es sich nicht nehmen ließen, an der ehemaligen innerdeutschen Grenze eine Aktion zu inszenieren, bei der sie die Mauer wieder aufbauen wollten. Das war freilich ein halbherziger, vor allem an die Medien adressierter Akt, um die Aufmerksamkeit für ihre bei der Bundestagswahl nicht zugelassene Partei "Die Partei" zu steigern.
Konsequenter wäre es doch, die zwölf bis 16 Prozent der Deutschen, die sich die Mauer zurückwünschen, gleich mit einer ebensolchen zu umgeben. Etwa in den idyllischen Bundesländern Thüringen und Sachsen-Anhalt. Zwar ergeben beide Länder zusammen nur rund ein Zehntel des gesamten bundesdeutschen Territoriums. Es dürfte aber kaum Probleme bereiten, die Mauerfreunde auf diesem Areal zusammenzufassen. "Blühende Landschaften" gibt es dort auch, etwa den Rennsteig in Thüringen oder die Wörlitzer Parkanlagen. Dort könnten sie sich nahezu ungestört austoben. Selbst ein paar größere Städte sind in der Region vorhanden, die mit allerlei Industrie, Dienstleistung, sozialer Infrastruktur und Kultur im Grunde alles bieten, was die Bürger von Mauertanien - so der Name der neuen autonomen Region inmitten der Bundesrepublik - sich wünschen.
Wer jetzt meint, das röche verdammt nach Ausgrenzung oder Ghettoisierung - hat natürlich recht. Und als verantwortungsbewusster Staat sollte die Bundesrepublik in der Tat einschreiten und eine derartige Entwicklung verhindern. Hat sie aber nicht - ganze 20 Jahre lang. So ist die Fraktion derer, die sich die Mauer zurückwünschen, Jahr um Jahr größer geworden. Was liegt da näher, als das Autonomiestreben dieser immerhin zehn bis zwölf Millionen Menschen nun endlich nach Kräften zu fördern? Volkswirte könnten argwöhnen, dass die Produktivität der Restrepublik darunter litte. Doch dieser Effekt dürfte nur vorübergehend sein. Denn die jüngsten Umfragen ergaben auch, dass die überwiegende Mehrheit der Mauersehnsüchtigen bereits älter als 50 Jahre ist. Nicht dass ältere Menschen weniger produktiv seien - aber sie sind weniger reproduktiv. Und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis das an die autonomen Republikflüchtlinge verliehene Territorium mangels verbleibender Einwohner wieder annektiert werden könnte. Fast so wie vor 20 Jahren also.
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